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Allgemeines

21. August 2008

Gedenktag für Zivilcourage!

Es gibt Tage, die vergisst man nicht: Heute vor genau 40 Jahren war ich als junger Bub mit einem Freund in der Nähe von Konstanz auf einem Zeltplatz. In diese Situation platzte die Nachricht vom Einmarsch russischer Truppen und anderer Warschauer-Pakt-Mächte in die Tschechoslowakei. Unsere naive Angst: Können wir überhaupt noch nach Österreich zurück? Marschieren die Russen jetzt auch bei uns ein?
Dumme Buben, ok. Aber es zeigt auch die Angst, die damals in breiten Bevökerungsschichten vorherrschte. Heute wissen wir, dass die Angst unbegründet war: Die Sowjets hatten die USA schon Wochen zuvor vom Einmarsch unterrichtet und von einer "internen Angelegenheit" gesprochen.
Weit über 200.000 Menschen flüchteten in den folgenden Tagen und Wochen aus der Tschechoslowakei, ein Großteil in das damals noch aufnahmefreudige Österreich.
Man sollte an diesem Tag über das Thema Zivilcourage nachdenken: Österreich reagierte damals sehr unterschiedlich. Die meisten Politiker betonten lediglich unsere Neutralität und wollten sich nicht einmischen. Mutiger schon der ORF, der für Anhänger des Reformkurses in der CSSR zu einem Sprachrohr wurde.
Als besonders couragiert erwies sich der spätere Bundespräsident Rudolf Kirchschläger. Er war damals Botschafter in Prag und stellte entgegen einer ausdrücklichen Weisung des damaligen Außenministers und ebenfalls späteren Bundespräsidenten Kurt Waldheim auch in diesen kritischen Tagen für Menschen in Not Visa aus, die eine legale Einreise nach Österreich ermöglichten. Eine typische Episode für beide Politiker: hier der nüchterne Technokrat Waldheim (der wieder einmal seine "Pflicht" erfüllte), dort der mitfühlende und konsequente Kirchschläger, der ähnlich wie der stockkonservative ORF-General Gerd Bacher mutig einen eigenständigen Kurs verfolgte.
In Österreich gab es in der Monarchie übrigens eine Ordensverleihung, die Sinn machte: Der Maria-Theresia-Orden wurde an Persönlichkeiten verliehen, die durch das bewusste Missachten eines (hauptsächlich militärischen) Befehls einen Erfolg erzielten. Das wäre doch eine Idee: statt der oft peinlichen Ordensverleihungen an PolitikerInnen und andere WürdenträgerInnen im Landhaus oder der Hofburg einmal erfolgreiche Querköpfe zu ehren!
Jedenfalls bräuchten wir in unserem Land mehr Menschen von der Qualität eines Rudolf Kirchschläger oder eines Gerd Bacher!
17. August 2008

Widerstandskämpfer und Humanist

Gestern wurde der Dornbirner Textilarbeiter August Weiß beerdigt. Ich habe mit ihm vor einem Vierteljahrhundert eine faszinierende Persönlichkeit kennengelernt. Aus der katholischen Arbeiterbewegung kommend, war er geprägt von einem humanistischen Weltbild, das niemanden ausgegrenzt hat. August war ein Arbeiter, der sich mit Philosophie ebenso beschäftigt hat wie mit Politik. In der NS-Zeit hat der 1921 geborene Dornbirner seine Grundsätze konsequent gelebt und wurde aus politischen Gründen auf eine Illwerke-Baustelle in der Silvretta dienstverpflichtet. Der Einberufung in die Wehrmacht wollte er sich im Februar 1941 durch einen abenteuerlichen Fluchtversuch entziehen und nicht mit der Waffe für einen Sieg des nationalsozialistischen Deutschland kämpfen. Die Flucht misslang, August wurde bis September 1942 im Soldaten-KZ Aschendorfer Moor bei Esterwege in Norddeutschland inhaftiert, dann im Wehrmachtsgefängnis Torgau. Später erhielt August "Frontbewährung" im berüchtigten Bewährungsbataillon 500 an der Ostfront, was nur ganz wenige überlebten.
Menschen wie August Weiß hatten es nach 1945 schwer. Für die Nachkriegsgesellschaft waren sie das personifizierte schlechte Gewissen, die soldatischen Traditionsverbände pflegten das Bild von den "Pflichterfüllern" und verweigerten sich einer kritischen Auseinandersetzung.
Natürlich waren nicht alle Wehrdienstverweigerer auch Widerstandskämpfer. Sehr differenziert hat sich Maria Fritsche mit diesem Thema auseinandergesetzt (Entziehungen. Österreichische Deserteure und Selbstverstümmler in der Deutschen Wehrmacht. Wien 2004). In Vorarlberg ist es vor allem Meinrad Pichler zu verdanken, dass wir einiges über Wehrdienstverweigerung wissen (siehe etwa https://www.malingesellschaft.at/pdf/pichler-volkmann.pdf).
August Weiß war ein Widerstandskämpfer. Ich habe ihn mehrmals an meine Schule eingeladen, wo er den SchülerInnen in beeindruckender Weise und ohne jegliches Pathos von seinen Erlebnissen erzählte. Die Verwilderung der politischen Sitten und der Sprache in unserem Land nach dem Aufkommen der FPÖ ab Ende der Achtzigerjahre hat zu seinem weitgehenden Rückzug aus der Öffentlichkeit geführt. Nur noch im Kreis der Johann-August-Malin-Gesellschaft, der Ehrenmitglied er war, hat August über die Vergangenheit erzählt und diskutiert. Wir verlieren mit ihm einen herzensguten Menschen und ein Vorbild!

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